Videosprechstunde – Abrechnungsfragen in Zeiten von Corona
Eigentlich ist das nichts Neues, dass Ärzte per Telefon oder Videokonferenz Patienten beraten. Das Berufsrecht sah dazu bisher vor, dass vor oder nach einer solchen Fernbehandlung ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient stattfinden musste, wenn die Leistungen abrechenbar sein sollten.
Nun, in Zeiten der weltweiten Krise durch das Corona-Virus erleben wir, wie die Videosprechstunde zu einem elementaren Baustein einer adäquaten Patientenversorgung wird. Natürlich kann eine solche Behandlung den persönlichen Kontakt nicht komplett ersetzen. Aber davon unabhängig kann die Videosprechstunde und ihre Abrechnung als Privatleistung erfolgen, so lange die Behandlung des konkreten Patienten nicht ausschließlich auf diese Weise geschieht. Die Fernbehandlung ist auch nicht auf bestimmte Indikationen begrenzt. In diesem Zusammenhang kommen folgende Beratungsziffern insbesondere in Betracht:
- Nummer 1: Beratung - auch mittels Fernsprecher (sprich: auch telefonisch) –
- Nummer 3: eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung, - auch mittels Fernsprecher, Mindestdauer 10 Minuten
Spezielle, auf die Videosprechstunde abgehobene Gebührennummern gibt es in der GOÄ nicht. Es gibt also keine Besonderheit in der Abrechnung, die einen Analogabgriff entsprechend des §6 GOÄ rechtfertigen würde.
Die GOÄ fordert für diese Beratungsleistungen keine persönliche gleichzeitige Anwesenheit von Arzt und Patient, vielmehr ist die Beratung per Telefon und Internet durchaus möglich. Das kommt in der Leistungslegenden der Nummer 1 – Beratung, auch telefonisch – bereits zum Ausdruck, ebenso wie bei der eingehenden Beratungsleistung nach Nummer 3 GOÄ.
Die Unterrichtung – Führung der Bezugsperson nach Nummer 4 kann ebenfalls telefonisch oder per Video stattfinden. Das kann vor allem vor und nach einer Behandlung des Patienten zur erfolgreichen Therapie beitragen. Es erfolgt hier keine direkte, sondern eine mittelbare Leistungserbringung gegenüber der Patientin/dem Patienten. Natürlich sind die Rahmenbedingungen der GOÄ (einmal im Behandlungsfall) zu beachten.
Als Untersuchungsleistung kommt die symptombezogene Untersuchung nach Gebührennummer 5 in Betracht, denn eine körperliche Anwesenheit des Patienten ist – je nach Krankheitsfall und Indikation – nicht unbedingt erforderlich. Wenn es aus medizinischer Sicht vertretbar ist, die Ziele der symptombezogenen Untersuchung auch durch eine Videosprechstunde ohne die persönliche Anwesenheit des Patienten zu erreichen, kann die Nummer 5 auch abgerechnet werden. Hier reicht die in Augenscheinnahme - als Beispiel könnte man die Kontrolle einer Bindehautentzündung, weitere Ausbreitung der allergischen Reaktion der Haut oder eines Insektenstiches anführen.
Aufgrund der derzeitigen Situation wurden im kassenärztlichen Bereich die Regelungen zur Videosprechstunde gelockert. In Anlehnung können aus unserer Sicht auch im privatärztlichen Bereich sämtliche Leistungen, die per Video erbracht werden, abgerechnet werden. Das sind insbesondere die weiteren Leistungen nach den Gebührennummern:
- 34 – Erörterung der Auswirkungen einer Krankheit, Mindestdauer 20 Minuten
- 60 – Konsiliarische Erörterung
- 849 – Psychotherapeutische Behandlung
Für den psychotherapeutischen und psychiatrischen Bereich kommen folgende spezielle Leistungsziffern in Frage, die unter den besonderen Umständen der Corona-Ansteckungsgefahr auch am Bildschirm am Patienten bzw. seiner Bezugsperson oder beiden erbracht werden können:
Nummer 804, 806, 817, 849, 860, 861, 870, 885, sowie 801 und 807 GOÄ
Wichtig hierbei, der behandelnde Arzt / die behandelnde Ärztin muss sich die Frage stellen, ob alle Leistungsbestandteile der GOÄ-Richtlinien und die individuellen Leitlinien bzw. gesetzliche Bestimmungen der Fachgruppe erfüllt worden sind bzw. erfüllt werden können.
Ob auch eine Gruppenberatung im Rahmen der Behandlung chronischer Krankheiten nach Ziffer 20 abrechenbar ist, hängt von den technischen Gegebenheiten ab. Das würde bedingen, dass nicht nur der Arzt simultan zu allen teilnehmenden Patienten einen Videokontakt herstellen kann, sondern dass auch die Teilnehmer untereinander per Video zusammengeschaltet sind.
Die Leistungslegenden sollten durch den Zusatz „per Video“ oder „per Videosprechstunde“ ergänzt werden. Auch hier ist zu empfehlen die Zeiten der Videokonferenz in der Patientenakte zu dokumentieren.
Sofern der Arzt Leistungen bei GKV-Patienten per Videosprechstunde erbringt, die im EBM nicht ausdrücklich erwähnt sind, also dort als Leistungsinhalt genannt sind, kann er diese als Selbstzahlerleistungen abrechnen, sofern der Patient über die zu erwartenden Kosten und die Pflicht zur Übernahme dieses Selbstbehaltes ausreichend aufgeklärt wurde und dem vorher schriftlich zugestimmt hat. Mustervereinbarungen für Selbstzahlerleistungen können bei der PVS abgerufen werden.