Neue Wertschätzung in Krisenzeiten
Autor: Stefan Tilgner
Wäre dieser Ausblick nur wenige Wochen früher geschrieben worden – er hätte wohl eine ganz andere Tendenz bekommen. Vor allem in der Perspektive auf das deutsche Gesundheitswesen und die künftige Rolle seiner Akteure. Besonders für die Heilberufe, Medizin, Pflege, wird die Arbeitswelt nach der Corona-Pandemie wohl anders aussehen. Jetzt – im Mai 2020 – lässt sich manches nur vermuten. Aber eines ist sicher: die gesellschaftliche Wertschätzung der Gesundheitsberufe wird gewinnen.
Gesundheit ist ein „Konditionalgut“, selten zuvor wird das so bewusst wie in diesen Tagen. Konditionalgut heißt: Gesundheit ist eine Grundvoraussetzung, ohne die in unserer Gesellschaft so gut wie nichts geht. Nicht nur Mobilität und Teilhabe am gemeinen Wohl(stand). Nein, schlichtweg die Teilhabe an allen gesellschaftlichen Prozessen und am Funktionieren des demokratischen Sozialstaates. Somit sind die Gesundheitsschaffenden und ihre Arbeit auf der Grundlage des Gemeinwohls quasi eine Basis, auf die alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Prozesse unseres Staates aufbauen.
Doch zunächst zu den Schwachpunkten, die nun deutlicher erkennbar sind als in „ruhigeren und guten Zeiten“: Mangel an medizinischer Versorgung heute tritt dort zutage, wo politischer Regelaktionismus - trotz übervoller Kassen der GKV - vorhandene Strukturen bereits zerstört oder notwendige neue nicht in der Lage war, zu schaffen. So hat es die Politik beispielsweise nicht geschafft, die Arztpraxis auf dem Lande so attraktiv zu machen, dass eine flächendeckende Versorgung gesichert ist.
Was aber will der Bürger, der Patient? Ganz einfach: Das Gefühl der Sicherheit und das Vertrauen, dass ihm jederzeit bei gesundheitlichen Problemen geholfen wird. Ungeachtet von Lieferproblemen bei Arzneimitteln (auch die sind natürlich zu lösen) bedeutet das vor allem die Verlässlichkeit, dass der Arzt da ist, wenn er gebraucht wird. Egal ob Privat- oder Kassenarzt. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung lässt sich nur in unserem dualen System von PKV und GKV darstellen, da nur so für hinreichend viele Mediziner auch die wirtschaftliche Basis einer flächendeckenden Versorgung darzustellen ist. Obwohl die Politik sich dessen längst bewusst ist – sogar die Grünen-nahe Böckler-Stiftung hat entsprechende Gutachten veröffentlicht –, kommt mancher Politiker immer wieder auf Sozialexperimente in Richtung „Bürgerversicherung“. Dieses Gespenst sollte die Erfahrung der Krise nun endgültig vertrieben haben.
Man kann nur hoffen, dass nach Corona nicht mehr die Frage der Finanzierung eine Rolle spielt, sondern ausschließlich die der bestmöglichen Versorgung. Dass der mündige Bürger dafür auch mehr Geld ins Gesundheitswesen und in Gesundheitsleistungen zu investieren bereit ist, ist lange in Umfragen und Studien belegt. Also wird es Zeit, dass der Staat, erst recht nach der Erfahrung der schweren Krise, endlich auf seine Bürger hört.