SPD: Mit viel Staat in die gesundheitspolitische Zukunft
Es gibt Menschen, die sagen: „Mit Gesundheitspolitik gewinnst Du keine Wahl, allenfalls verlierst Du eine.“ Vielleicht ist das der Grund, warum gesundheitspolitische Kapitel in Wahlprogrammen eher klein und meist auch unkonkret ausfallen. Als erste Partei hat im März die SPD ihr Programm für die Bundestagswahl vorgelegt. Der Entwurf der Parteispitze um Kanzlerkandidat
Olaf Scholz trägt den Titel „Zukunftsprogramm – Für Deutschland. Für Dich“.
Auf 64 Seiten fassen die Sozialdemokraten zusammen, wie sie sich die Zukunft – auch die gesundheitspolitische – für uns vorstellen (www.zukunftfuerdich.de). Auf knapp zwei Seiten beschreibt die SPD ein „Update für die Gesundheit“, das sich weniger als geschlossenes Konzept präsentiert, denn als Auflistung zumeist bekannter Einzelforderungen.
Zum wiederholten Male nimmt die SPD Anlauf zu einer Bürgerversicherung. „Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem braucht eine stabile und solidarische Finanzierung“, heißt es dazu in dem Programmentwurf. Die Krankenhausvergütung über Fallpauschalen wollen die Sozialdemokraten kritisch durchleuchten, wenn nötig überarbeiten oder gar abschaffen. Gerade in der Kinder- und
Jugendmedizin würden sie den individuellen Bedürfnissen der Patienten nicht gerecht. Stattdessen plädiert die SPD für „eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung der Kliniken“ ebenso wie für deren „stärkere Öffnung für die ambulante Versorgung“. Es gehe um „eine Neuordnung
der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor und eine Überwindung der Sektorengrenzen“. Dienstleistungen könnten etwa von niedergelassenen Teams und Krankenhäusern gemeinsam erbracht werden. Darüber hinaus scheinen die Sozialdemokraten wenig Vorstellungen über die Zukunft der ambulanten Versorgung in Deutschland zu haben.
Gerne erführe man mehr darüber, welche „Dienstleistungen“ gemeint sind und wie sich die „niedergelassenen Teams“ zusammensetzen. Welche Aufgaben übernehmen Kliniken, die sich
stärker der ambulanten Versorgung öffnen? Wie steht die SPD zum bisher gültigen Grundsatz „ambulant vor stationär“? Die Notwendigkeit der stärkeren Verzahnung von ambulanter und stationärer Leistungserbringung ist unzweifelhaft richtig. Dennoch stellt sich die Frage: Wie sieht die Rollenverteilung zwischen stationär und ambulant im Detail aus?
Insgesamt – das mag nicht besonders überraschen – hadern die Sozialdemokraten mit marktwirtschaftlichen Instrumenten in der Gesundheitsversorgung. So will die Partei zwar einerseits „stärkere Investitionen in Gesundheitswirtschaft“, andererseits aber „die Renditeorientierung im Gesundheitswesen begrenzen“. Welche „Renditeorientierung“
in einer Welt aus EBM, morbiditätsbedingter Gesamtvergütung und Orientierungswerten genau gemeint ist, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, wer ohne Aussicht auf wirtschaftlichen
Nutzen stärker in die Gesundheitswirtschaft investieren sollte.
Mittelfristig strebt die SPD auch in der Pflege eine „Vollversicherung als Bürgerversicherung“ an. Die Partei macht sich für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne stark. Für Menschen mit geringerem Einkommen soll der Eigenanteil in Pflegeeinrichtungen gedeckelt werden. Künftige Kostensteigerungen sollen über einen „Mix aus moderat steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen und dynamischem Bundeszuschuss“ aufgefangen werden.
Die Grundprinzipien Subsidiarität und Eigenverantwortung sucht man programmatisch bei der SPD vergeblich. Ob ein solches Konzept zielführend sein kann? Das wage ich zu bezweifeln.